Die Reziprozität von Vertrauen

Meine Untersuchungen zum Thema von „Vertrauen“ haben mich an eine Frage geführt, die sehr nahe liegt, bisher jedoch nicht erforscht wurde – bzw. dessen Ergebnisse ich nicht gefunden habe.

Ist Vertrauen reziprok?

Um es mit Gennerich zu sagen: A(B)=B(A)
Vertraut Person A der Person B in gleicher Intensität, wie andersherum? Wenn nein, warum nicht? Wenn nein, gibt es einen beziehungsbestimmenden Faktor, der die Reziprozität hemmt? Gibt es Settings, in denen die Gegenseitigkeit besonders hoch, in anderen besonders gering ist?

Mit diesen Fragestellungen meine ich nicht das Vertrauen als reziprok altruistisches Vertrauen, sondern die gegenseitige, skalara Bewertung in einer beliebigen Zweierbeziehung (z.B. Freund-Freund, Kollege-Führungskraft, Patient-Arzt).

Transpersonales Vertrauen nach Belschner und Gennerich

Bei den Recherchen für meine Promotion bin ich vor einiger Zeit auf den Begriff des transpersonalen Vertrauens gestoßen, der von Carsten Gennerich in seinem Buch „Vertrauen – ein beziehungsanalytisches Modell“ in eine Reihe mit Systemvertrauen und Individualvertrauen (personales Vertrauen) gestellt wird.
Kürzlich bin ich auf die Skala Transpersonales Vertrauen (TPV) von Wilfried Belschner gestoßen und war zunächst froh, dass es zu dieser Art von Vertrauen bereits einen validierten Fragebogen gibt.

Nach einiger Überlegung bin ich jedoch dazu gekommen, dass es sich bei dem Terminus um ein „Teekesselchen“ handelt: zwei verschiedene Bedeutungen und Verwendungen verstecken sich hinter dem gleichen Begriff. Während Belschner einen „transzendentalen“ Hintergrund hat und den Menschen als Teil des Kosmos sieht, meint Gennerich die Transparenz einer Person, durch die die soziale Rolle in manchen Situationen hindurchschimmert. Er sieht den Menschen also im Kontext der Gesellschaft.

Liege ich mit meiner Meinung richtig? Oder übersehe ich, dass beide Autoren eigentlich das Gleiche meinen?