Warum ich nicht mehr pitche – Teil 1

Folgenden Beitrag schreibe ich nicht aus Häme oder Greuel, sondern nur um jüngeren und älteren Mitgliedern meiner „Zunft“ zu zeigen, wie es läuft.

Ich bin Mitglied eines kreativen Berufsbildes. Kommunikationswissenschaftler mit Design-Anspruch. Betriebspädagoge mit wissenschaftlichem Hintergrund. Und dabei noch Nerd mit Outdoor-Affinität. Aber das nur im Privaten.

Pitch heißt es, wenn Firmen Kreative zu einem Wettbewerb einladen. Der Gewinner dieses Wettbewerbs bekommt einen Auftrag für etwas, was vorher manchmal noch gar nicht so recht feststeht. Da es aber im Wettbewerb nicht um Kreuzworträtsel oder um Gummistiefelweitwurf, sondern um handfeste, individuelle Arbeit für den Kunden geht, gerät dabei manchmal ins Vergessen.

In diesem ersten Teil möchte ich von dem Pitch, bzw. dem „Agentur-Wettbewerb“ der Stadt Rodach vom 3. November 2009 berichten. Vorab: Diesen Wettbewerb habe ich nicht gewonnen, aber ich bin ein guter Verlierer. Hier der Ausschreibungstext:

Wettbewerbs-Ausschreibung:

Neues Stadt-Logo für Bad Rodach
Die Stadt Bad Rodach beabsichtigt im Zuge der Erstellung des Integrierten Stadt-
Entwicklungs-Konzeptes (ISEK) „Bad Rodach 2020“ die Einführung eines Stadt-Logos.
Hierzu lobt die Stadt Bad Rodach einen Gestaltungswettbewerb nach den folgenden
Kriterien aus:
1. Aufgabenstellung
Das neue Stadtlogo soll Bild (Signet) und Wort (Slogan) charakteristische Eigenschaften, Stärken und Alleinstellungsmerkmale der Stadt widerspiegeln. Es soll in der Wirkung nach innen identitätsstiftende Wirkung entfalten und in der Wirkung nach außen der Imagebildung und Positionierung der „Marke Bad Rodach“ dienen. Besonderen Wert wird auf folgende Attribute gelegt:
(1) Authentizität, d.h. Stimmigkeit/Übereinstimmung mit dem Selbstbild (s. ISEK-Prozess)
(2) Botschaft, d. h. Ausdruck einer Vision bzw. Mission i. S. V. Leitbild (s. ISEK-Prozess)
(3) Erkennbarkeit, d. h. Wiedererkennungswert und Unverwechselbarkeit
(4) Sympathie
2. Wettbewerb
Die Stadt Bad Rodach schreibt einen Wettbewerb aus. Die Teilnahme ist für jedermann (Agenturen, Künstler, Designer) offen.
3. Fristen und Einsende-Adresse
Die Einsendung von Entwürfen ist zulässig in der Zeit bis 30. November 2009 (es gilt das Datum des Poststempels). Jeder Teilnehmer darf zum Wettbewerb maximal 2 Entwürfe einreichen. Die Entwürfe sind mit folgender Adressierung einzusenden:
Stadt Bad Rodach, Logo-Wettbewerb, Markt 1, 96476 Bad Rodach
4. Form der Einsendung
Der Entwurf ist in drei Varianten einzureichen:
a) im Format DIN A 4 als Farbausdruck in den Maximalgrößen 10 x 10 cm und 3 x 3 cm
b) im Format DIN A 4 als Schwarz-Weiß-Ausdruck in denselben Maximalgrößen
c) als Grafik-Datei/CD-Rom in o. g. Formen und Größen (PDF bzw. PC-lesbar)
5. Dotierung
Das Preisgeld wird wie folgt vergeben:
1. Preis: 5.000 EUR
2. Preis 1.500 EUR
3. Preis 1.000 EUR
ferner bis zu
5 Anerkennungen: je 300 EUR (Beträge brutto).
6. Jury, Auswahlverfahren und Benachrichtigung
Die Jury besteht aus den Mitgliedern der ISEK-Lenkungsgruppe, d.h. aus Mitgliedern des Stadtrats und der Arbeitskreise, die diesem Gremium angehören. Jedes Jurymitglied hat gleiches Stimmrecht. Bei Stimmengleichheit erhält der Bürgermeister doppeltes Stimmrecht.
Die Jury behält sich vor, keinen der Entwürfe auszuwählen. Die Entscheidung der Jury ist endgültig. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Die Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Die eingereichten Entwürfe werden nicht zurück gesendet. Eine Begründung der Ablehnung erfolgt nicht.
7. Urheberrecht und Nutzungseinräumung
Die/Der Teilnehmer/in erklärt mit dem Einreichen ihres/seines Wettbewerbsbeitrags, alle Arbeiten (Texte, Bilder, Illustrationen und Grafiken, usw.) selbst erstellt zu haben und Rechte Dritter nicht zu verletzen; insbesondere auch keine urheberrechtswidrig aus dem Internet oder Datensammlungen bzw. Publikationen kopierten oder heruntergeladenen Bestandteile zu verwenden.
Die ausschließlichen, zeitlich und räumlich unbegrenzten Nutzungs- und Wiedergaberechte sowie verwandte Schutzrechte gehen mit der Einreichung des Wettbewerbsbeitrags und Annahme der Siegprämie (1. Preis) im vollen Umfang auf die Stadt Bad Rodach über.
Diese darf die Rechte im In- und Ausland in jeder Form nutzen und öffentlich wiedergeben, und zwar in Printmedien, Film, Rundfunk und/oder digitalen Medien, ungeachtet der Übertragungs- und Trägertechniken. Das Urheberrecht verbleibt bei den jeweiligen Erstellern.
Die Verfasser des mit dem 2. und 3. Preis ausgezeichneten Logos erklären sich bereit, der Stadt die Option zum Erwerb der Nutzungsrechte innerhalb von 12 Monaten ab
Bekanntgabe der Jury-Entscheidung gegen Aufstockung des Preisgeldes einzuräumen.
Die Stadt Bad Rodach behält sich das Recht vor, auch ohne Rücksprache mit dem
Verfasser den Entwurf zum Zweck der technischen Verwendung grafisch oder
redaktionell zu bearbeiten.
8. Teilnahmebedingungen
Die/Der Teilnehmer/in stimmt durch Einreichen ihres/seines Wettbewerbsbeitrags den
genannten Teilnahmebedingungen zu.
MR 03-11-2009

Drei „Hauptgewinne“, fünf Anerkennungen. Soweit, so gut. Ich weiß, dass es einige Einsendungen gab. Keiner der Einsender hat jemals ein Feedback erhalten, weswegen ich damals mehrfach nachfragte. Ich fand es unfair, dass es für eine mühevolle, kreative Wettbewerbsteilnahme niemals eine Reaktion gab. Irgendwann nach mehrfachem Nachhaken erhielt ich folgende E-Mail:

Guten Tag Herr Albbrecht,

die Stadt hat lt. Stadtratsbeschluss v. 19.7. (2009) keinen 1. Preis vergeben, sondern wird den Ankauf der Nutzungsrechte am 2. und 3. Preis betreiben, um
diesen grafisch weiter entwickeln zu können.

2. Preis war das Bild „Bad Rodach – die Perle am Grünen Band“ unserer Agentur Markant.

Die anderen Ergebnisse kenne ich nicht – die Stadt wird die Teilnehmer selbst informieren.

Beste Grüße
(Name gelöscht)

Ich finde es bemerkenswert, welche Kreativität man bei der Verteilung von Preisgeldern hat. Es gibt keinen Gewinner, dafür gewinnt die bisherige Agentur „Markant“ (heute: „Markatus“, ähnliche oder gleiche Bildmarke) den höchsten, nämlich 2. Preis und eine ungewisse Zahl an Anerkennungen geht leer aus (mir ist bis heute keine Einzige bekannt; ich mag dies aber gerne korrigieren). Damaliger Inhaber der Agentur „Markant“ war Absender obiger E-Mail, Gewinner des Wettbewerbs und später auch Projektmanager oder City-Manager der Stadt Coburg, wie Google verrät.

Das Interessante ist: das „Gewinner-Logo“ findet auch heute noch Verwendung (siehe Homepage von Bad Rodach), war also zumindest keine Eintagsfliege. Nun zu einer kurzen Analyse des Gewinnerlogos, das ich kaum so nennen mag. Eigentlich ein Fall für Designtagebuch.de, wenn dieser Pitch nicht so unbedeutend gewesen wäre.

Die Typo des Siegerlogos „Bad Rodach“ ist eine Satifaction Pro (von E-phemera). Lediglich das initiale „B“ wurde optisch leicht modifiziert. Der Rest des Fonts erscheint unverändert. Der Claim ist unambinitioniert spationiert. Die Ellipse (…) am Claimanfang recht beliebig. Subjektives Urteil: Ich mag es nicht; es ist Laienarbeit.
Objektives Urteil: Es verstößt aus meiner Sicht gegen die Ausschreibungskriterien (siehe oben).

Ich weiß, dass es Einreichungen mit Signet und Logo gab, die zumindest ambitionierter waren, auch wenn es natürlich eine subjektive, evtl. fachfremde Jury anders sah. Dass ausgerechnet die eigene Agentur (!) einen Preis, nämlich den zweiten (!) gewinnt, obwohl es keinen (!) ersten gibt, ist für mich schlimm. Es zeigt, dass Pitches, also Wettbewerbe nicht gewürdigt werden und es manchmal nur darum geht, kostengünstige oder gar kostenlose Inspiration zu erhalten. Man unterliegt nicht im fairen Wettstreit gegen einen Besseren, sondern verliert nach einer Ausschreibung und ihrem Ergebnis etwas wichtigeres als ein Preisgeld: seine Motivation.

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