Langzeitfolgen von Schutzstreifen für den Radverkehrsanteil?

In einem anderen Blogpost habe ich meine persönlich Meinung zum Thema „Baulich getrennte Radwege vs. Radschutzstreifen“ niedergeschrieben. Das Interessante dabei ist, dass viele radaktive Menschen vor dem Lesen meines Beitrags von der vorliegenden Unfallstatistik felsenfest überzeugt waren und gebetsmühlenartig eben diese Meinung wiedergaben. Nach dem Lesen hörte ich dann jedoch häufig ein „das klingt nachvollziehbar“, worüber ich mich sehr freue.

In der Zeit erschien ein Interview mit der dänischen Stadtplanerin Helle Søholt. Hier eine Passage daraus.

ZEIT ONLINE: In Deutschland sagen Kritiker, es sei für Radfahrer sicherer, wenn sie auf der Straße zusammen mit den Autos fahren. In Kopenhagen sieht man das offensichtlich anders: Zumindest in der Innenstadt beherrschen separate Radwege das Straßenbild…

Søholt: … und zwar nicht einfach nur auf die Straße gemalte Spuren, sondern echte separate Wege, die von der Autospur durch einen Bordstein getrennt sind und wiederum durch einen Bordstein vom Gehweg. Das macht einen gewaltigen Unterschied, denn es erhöht die gefühlte Sicherheit.

ZEIT ONLINE: Wie wichtig ist die gefühlte Sicherheit?

Søholt: Enorm wichtig. Ist das Gefühl von Sicherheit groß, dann haben Eltern genug Vertrauen, mit ihrem Kind Rad zu fahren, und Ältere trauen sich aufs Rad. Wenn es Ihnen nur um junge Männer geht, die stark genug sind, den Kampf mit den Autofahrern aufzunehmen, dann können Sie die auf der Straße fahren lassen. Wollen Sie aber das Fahrrad zu einem attraktiven Transportmittel für die Allgemeinheit machen, dann müssen Sie eine getrennte Infrastruktur schaffen.

In Copenhagen wird immerhin von einem innerstädtischen Radverkehrsanteil von 50% berichtet. Das ist ein für Deutschland aktuell noch unvorstellbarer Wert. Im Vergleich: laut Statistik liegt der Radverkehrsanteil der Stadt Aachen bei 10%. Dieser Wert soll laut Aachener Mobilitätskonzept bis 2020 auf 20% steigen, sich binnen 5 Jahre also ca. verdoppeln.

In einem jüngst erschienenen Interview auf „Alle Macht den Rädern“ berichtet Wegeheld-Erfinder Heinrich Strößenreuther:

Ich hab die dann irgendwann gefragt, wann die das letzte Mal ein Kind alleine in ihrer Stadt haben Fahrrad fahren sehen. Dann gab es meistens einige Sekunden Schweigen – und dann merkten die: Irgendwie hat der Typ ja schon Recht […]

Ich ahne, in diesem Zusammenhang steckt langfristig eine große Problematik: fahren Eltern mit ihren Kindern und später auch Kinder alleine nicht regelmäßig in der Stadt Rad, sondern im elterlichen Auto oder bestenfalls mit ÖPNV, werden diese Kinder nicht ans Radfahren gewöhnt und fühlen sich auch später im Straßenverkehr unsicher, benutzen also selbst eher das Auto. Der Radverkehrsanteil könnte damit langfristig sogar sinken.


Update 22.11.2014:
Auf der Internetseite des Aachener SPD-Ratsherren Michael Servos veröffentlicht dieser schon 2013 einen Antrag für eine Kampagne „Radschutzstreifen“ an, weil festgestellt wurde, „dass bei vielen Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmern das Grundverständnis der Radschutzstreifen nicht so fundiert vorhanden ist, wie es erforderlich wäre.“

2 Gedanken zu „Langzeitfolgen von Schutzstreifen für den Radverkehrsanteil?“

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